Tablet-Test: Acer Iconia Tab W510
Mit dem Iconia Tab W510 legt Acer ein Windows 8 Tablet auf Basis von Intels Clover Trail Architektur vor, das es nicht nur mit der iPad- und Android-Konkurrenz, sondern auch mit den unter Windows RT laufenden ARM-Tablets wie zum Beispiel dem Microsoft Surface aufnehmen soll. Unser Test zeigt auf, wie gut das gelingt.
Zu Preisen ab 499 Euro bekommt man nicht nur ein Tablet. Acer liefert auch gleich ein Tastaturdock mit, welches das Gerät in ein vollwertiges Netbook verwandelt. Besonders pfiffig: In der Ansteck-Tastatur steckt ein weiterer Akku, der die Laufzeit des Geräts auf bis zu 18 Stunden ausdehnen soll. Darüber hinaus kann die Tastatur als Standfuß verwendet werden, in dem man das Tablet um 295 Grad nach hinten klappt.
Angetrieben wird das W510 von einer Intel Atom Dualcore-CPU mit 1,5 GHz. Das 10,1 Zoll große IPS-Display löst mit 1366 x 768 Pixeln auf. Zwei Kameras, diverse Sensoren, HDMI, Bluetooth, NFC, WiFi und zwei USB-Ports runden die komplette Ausstattung ab. Die beiden USB-Anschlüsse arbeiten leider nur nach dem USB 2.0 Standard – mehr gibt die Clovertrail-Plattform von Intel aktuell noch nicht her.
Design, Verarbeitung, Haptik
Eine derart umfangreiche Ausstattung für rund 500 Euro fordert ihren Tribut: Das Gehäuse des W510 ist komplett aus Kunststoff gefertigt, was es entsprechend anfällig für Kratzer macht. In Punkto Wertanmutung und Robustheit kann es daher nicht mit Metallgehäuse-Tablets wie dem Surface mithalten. Wenn man das Tablet leicht verwindet oder von der Rückseite Druck ausübt, ist die Reaktion auf dem Display sofort zu sehen. Dennoch wirkt es keineswegs billig, und an der Verarbeitung gibt es sowohl am Tablet als auch an der Tastatur nichts auszusetzen. Die Tasten wackeln nicht und haben einen guten Druckpunkt. Das Scharnier wirkt sehr stabil – die Halterung bietet allerdings etwas Spiel, so dass das Tablet im angedockten Zustand darin hin und her wackelt. Das fällt während der Benutzung nicht negativ ins Gewicht, wirft jedoch die Frage auf, ob das nach einiger Zeit zu einem Haltbarkeitsproblem führen könnte.
Display
Auch bei vergleichsweise kleinen Displays kommt Full HD-Auflösung mehr und mehr in Mode. Somit wirken die 1368 x 768 Pixel des 10,1 Zoll großen IPS-Displays beim Iconia W510 vergleichsweise schwach. Angesichts der Tatsache, dass viele Windows-Anwendungen bei hohen Auflösungen nach wie vor nicht sauber skalieren, erweist sich das in diesem Fall als richtige Entscheidung. Der Bildqualität tut dies ebenfalls keinen sichtlichen Abbruch. Die Farben sind brillant und die Schriftkanten auch bei maximalem Zoom absolut scharf. Insgesamt fehlt es ein wenig an Kontrast und Helligkeit, was aber nur im direkten Vergleich mit anderen Tablets wie dem Surface oder dem iPad negativ auffällt. Für sich alleine betrachtet bietet das W510 ein wirklich gutes Bild, und das Display-Glas spiegelt erfreulich wenig.
Performance
Leistungsmäßig muss sich das W510 nicht verstecken – Windows 8 läuft so schnell und flüssig, wie Microsoft das verspricht. Bei der Touch-Bedienung "klebt" die Anzeige jederzeit am Finger und folgt den Bewegungen und Gesten verzögerungsfrei. Und weil es sich anbietet, ziehen wir an dieser Stelle auch wieder den direkten Vergleich zum Surface mit Windows RT: Unterschiede bei den Ladezeiten der Apps sind allenfalls messbar, gefühlt gibt es keine. Und selbst grafisch aufwändige Spiele wie zum Beispiel "Guns 4 Hire" laufen absolut ruckelfrei. Am Ende sichert sich das W510 sogar einen Vorsprung vor dem Surface, denn nach dem Beenden von Apps mit hoher Systemlast werden die Ressourcen schneller wieder freigegeben als unter Windows RT – startet man dort direkt die nächste rechenlastige App oder scrollt schnell durch die Menüs, kommt es öfter zu Rucklern. Dieser Effekt trat beim Acer-Tablet nicht auf.
Beim Starten von aufwändigen Desktop-Anwendungen merkt man dem Iconia W510 seine schwache Hardware-Basis freilich deutlich an. Die Frage, ob Photoshop oder ähnliche Anwendungen auf einem solchen Gerät überhaupt Sinn machen, muss an dieser Stelle allerdings erlaubt sein. Einen direkten Vergleich mit Windows RT kann man auf dem Desktop nur mit Office 2013 ziehen – dem einzigen Desktop-Programm, welches derzeit auf beiden Plattformen verfügbar ist. Word ist auch auf dem Surface keine Rakete, startet aber immerhin etwas schneller als die "klassische" Version auf dem Iconia W510.
Akkulaufzeit
Auf diesen Punkt muss man etwas ausführlicher eingehen: Im Tablet-Betrieb gibt Acer eine Laufzeit von bis zu 9 Stunden an, die sich beim Andocken der Tastatur mit integriertem Zusatzakku verdoppelt. Bei durchschnittlicher Nutzung sind das absolut realistische Werte, mehr als die quasi übliche Übertreibung beinhalten diese Angaben nicht.
Fast noch wichtiger ist allerdings die Frage: Wie hoch ist der Stromverbrauch im Standby? Tablets werden ja nicht wie normale Computer herunter gefahren, sondern verbringen die Zeit, in der sie nicht genutzt werden, schlafend. Tatsächlich zeigt sich Intels Clovertrail-Architektur hier auf Augenhöhe mit den ARM-Chips: Mehr als fünf Prozent Ladekapazität gingen im 24stündigen Standby niemals verloren. Selbst nach mehrtägiger Ruhephase kann man mit dem Tablet also sofort wieder arbeiten, ohne dass es sofort ans Netz muss.
Einschränkend muss man an dieser Stelle aber noch erwähnen, dass auf unserem Testgerät nur sehr wenig klassische Windows-Software installiert war. Programme, die sich im Autostart einnisten und geplante Aufgaben anlegen, die das Gerät hin und wieder aus dem Standby reißen, könnten die Laufzeiten erheblich negativ beeinflussen.
Kameras
Auf der Rückseite befindet sich eine 8-Megapixel-Kamera inklusive LED-Blitz, der eine Reichweite von 4 bis 5 Metern hat. Ein scharfes Foto damit zu schießen ist Übungssache, denn die Auslöseverzögerung beträgt gut und gerne zwei Sekunden. So lange muss man das Gerät still halten und außerdem hoffen, das Motiv noch korrekt zu treffen. Die Bildqualität kann mit der des iPad nicht Schritt halten, schlägt aber das Surface (welches keinen Blitz hat) um Längen. Für Video-Chats und Konferenzen befindet sich an der Vorderseite noch eine weitere Kamera mit 2,1-Megapixel-Sensor. Sie liefert brauchbare Bilder, bei schwachem Licht geht ihr aber schnell die Puste aus. Gemein ist beiden Kameras, dass sie sehr empfindlich auf Gegenlicht reagieren.
Sound
Acer hat dem Iconia W510 Stereo-Lautsprecher mit überraschend kräftiger Lautstärke spendiert. Satte Bässe sind konstruktionsbedingt nicht realisierbar, dennoch klingt der Sound etwas zu blechern, das hat man auf vergleichbaren Geräten schon besser gehört.
Die Lautsprecher befinden sich links und rechts außen am Gehäuse – genau dort, wo man bei einem Tablet auch die Hände anlegt, während man es hält. Wir sind uns nicht sicher, ob das nun ein Konstruktionsfehler oder ein genialer Trick ist. Wenn man nicht aufpasst, verdecken die Hände die Lautsprecher beinahe komplett und der Ton wird entsprechend stark gedämmt. Behelfen kann man sich hier mit einem einfachen Trick: Man hält das Tablet einfach verkehrt herum. Das Bild richtet sich automatisch korrekt aus, nur sitzt die Windows-Taste dann natürlich oben, was etwas seltsam aussieht. Fasst man das Tablet aber so an, dass die Lautsprecher-Schlitze frei bleiben (was einfacher gelingt, als es sich anhört), erzeugen die Innenseiten der Hände zusätzlichen Resonanzraum, was dem Klang mehr Fülle und Dynamik verleiht.
Software
Auf dem Iconia W510 läuft wie bereits geschrieben Windows 8 – es kann also im Gegensatz zu Windows RT auch x86-Anwendungen starten. Das ist dann aber auch schon der einzig nennenswerte Unterschied zwischen den beiden neuen Windows-Versionen, ansonsten fühlen sie sich beinahe identisch an.
Acer liefert beim Iconia W510 neben einer kleinen Auswahl von Apps aus dem Windows Store noch einige exklusive Apps mit, unter anderem für seinen eigenen Cloud-Service und das Home-Entertainment-Projekt clear.fi. Ein Programm mit dem Namen "Acer Ring" (siehe Bild) soll im Desktop-Modus den Zugriff auf Dokumente und Medien erleichtern und kann diverse Verbindungen wie WLAN und Bluetooth an- und abschalten. Erwähnenswert ist außerdem noch "Crystal Eye", eine Kamera-App, die Zugriff auf alle Funktionen erlaubt und außerdem noch verschiedene Effekte mitbringt. Aufgenommene Bilder lassen sich sofort nachbearbeiten und zum Beispiel mit einem Rahmen versehen.
Lobenswert ist an dieser Stelle außerdem zu erwähnen, dass das System quasi frei von der sonst üblichen Crapware ist.
Fazit
Das Acer Iconia W510 ist ein reichhaltig ausgestattetes Windows-8-Tablet mit ausgezeichnetem Preis-/Leistungsverhältnis. In unserem Test zeigt es in keiner Disziplin grobe Schwächen, glänzt dafür aber mit guter Performance und langer Laufzeit. Den unvermeidlichen Vergleich mit dem Surface RT entscheidet das W510 für sich. Es ist bei vergleichbarer Ausstattung rund hundert Euro günstiger zu bekommen und unterliegt dem Microsoft-Tablet nur beim Gehäuse deutlich – in allen anderen Disziplinen ist es praktisch gleichauf oder sogar einen Deut besser.
Wer darauf angewiesen ist, auch klassische x86-Programme nutzen zu können, dem fällt die Entscheidung ohnehin leicht. Ob es wirklich Sinn macht, ein Tablet so mit Software vollzupacken wie ein Notebook oder einen Desktop-PC, sei allerdings dahingestellt – in diesem Fall dürften die schwachen Leistungsreserven von Intels Clovertrail schnell deutlich werden. Das Iconia W510 beweist allerdings eindrucksvoll, dass das x86-Imperium gegen ARM zurück schlagen kann – und die nächste Generation von Intels SoC-Lösungen ist ja bereits in Arbeit. Das Einzige, was also wirklich gegen den Kauf des Iconia W510 spricht, ist die Tatsache, dass wir vermutlich noch in diesem Jahr neue Geräte sehen werden, die noch performanter und ressourcenschonender arbeiten.
Technische Daten Acer Iconia W510
Betriebssystem: Windows 8 (32 Bit)
CPU: Intel Atom Z2760 mit 2 x 1,5 GHz
Display: 10,1 Zoll IPS, 1366x768 Pixel, LED Backlight, 5-Point-Multitouch
Grafik: Intel GMA 3650
RAM: 2 GByte DDR3
Festplatte: 32 oder 64 GByte eMMC
Kameras: 8 MP/2,1MP (hinten/vorne)
Sensoren: Näherungssensor, Gyro, Umgebungslicht, Kompass, NFC
Schnittstellen: Micro-USB 2.0, microHDMI, microSD und 3,5 mm Klinke im Tablet, USB 2.0 im Tastaturdock, Wi-Fi (IEEE 802.11 a/b/g/), Bluetooth, NFC, Mikrofon, Stereo-Lautsprecher, 3G (optional)
Abmessungen: 259 x 187 x 9,9 mm
Gewicht: 580 Gramm (1260 Gramm mit Tastaturdock)
Preise: 499 Euro (32 GByte), 599 Euro (64 GByte), 699 Euro (64 GByte mit 3G)